"Kunst ist meine Nahrung."

 

André Kern hat mit seinen Fleischbildern Aufsehen erregt.

Der Künstler André Kern hat sein Laden-Atelier auf dem Ölberg und lässt sich dort gerne  über die Schulter schauen. Er malt in der Tradition der alten Meister und wendet die  Öllasurtechnik geschickt auf moderne Themen an. Zur Zeit strukturiert er seine Gemälde  komplett um. Er erschafft daraus neue Collagen, welche Symbiosen aus klassischen  Werken und eigenen Bildern darstellen.

Wie bist du nach Wuppertal gekommen?

 

André Kern: Ich bin Wahlwuppertaler und bin für das Grafik-Design-Studium hierher gekommen, obwohl ich wusste, dass ich nie in dem Bereich arbeiten würde. Ich wollte etwas Künstlerisches studieren. Bereits nach dem Abitur habe ich eine Mappe angefertigt. Ein Lehrer hat mich dazu ermutigt, sonst hätte ich es wohl nicht gemacht. Etwas in Richtung Kunst zu studieren war zwar immer mein Traum, aber ich hätte nie daran gedacht, es tatsächlich zu machen. Ich dachte immer, meine Fähigkeiten würden dazu nicht ausreichen. Bis mein Kunstlehrer mich dazu ermutigt hat. In der Zeit hatte ich ein Schlüsselerlebnis in der Schulbibliothek. Zum ersten Mal sah ich Aktstudien von Edgar Degas. Die Bilder haben mich sehr angesprochen. Das alles war für mich sehr motivierend und ich habe mir dann nach dem Abitur mit guten Lehrbüchern (es gibt auch viele schlechte) viele Grundlagen durch ständiges Üben angeeignet und mich weiter entwickelt. So entstand eine Mappe und mit einundzwanzig bin ich losgezogen, um sie an der Düsseldorfer Kunstakademie zu zeigen. Die Akademieprofessorin meinte gleich: „Sehr gute Technik. Wo haben Sie denn das Raster?“ Die Darstellung fand sie wohl sehr gut. Aber sie meinte natürlich auch, dass noch eine eigene Linie fehle. Was aber ganz normal ist, denn woher sollte sie auch kommen? Heute bin ich froh, dass ich nicht an der Kunstakademie studiert habe, weil das ja hieße, sich dem Stil eines Professors zu verschreiben und so zu malen wie er. 

 

Irgendwann habe ich von meiner Tante, die in Wuppertal wohnt, vom Studiengang Grafik-Design erfahren. Ich dachte damals, es gäbe nur freie Kunst oder Industrie-Design, was mir zu technisch gewesen wäre. Aber dann bin ich da hingegangen und habe erfahren, dass Grafik-Design bzw. Kommunikationsdesign, ein sehr künstlerischer Studiengang ist. Dort wurde die traditionelle Nähe des Designs zur Kunst unterstützt. Da waren beispielsweise Bazon Brock, Uwe Loesch und später auch Wolf Erlbruch, die sehr innovative Positionen im Plakatbereich, der Designtheorie und der Illustration vertraten. So habe ich angefangen, in Wuppertal zu studieren.

 

Mir war es dann auch recht, dass es nicht ganz so frei war, sondern immer einen Bezug zur angewandten Darstellung hatte. Mit der Entwicklung einer freien Position wäre ich damals wohl überfordert gewesen. Im Studium habe ich dann viele Techniken gelernt, Zeichentechniken und auch Bildfindungstechniken, mit denen ich heute arbeite. Wolf Erlbruch hat mir die Öllasurtechnik vermittelt, mit der ich meine ersten Gemäldeserien angefertigt habe. Nach dem Diplom habe ich gleich angefangen, in Serien zu malen, auch zum Teil inspiriert durch das Studium. Dort habe ich eine Serie zu den Dreißiger Jahren gemacht, angefangen mit einem Plakat in dieser Dreißiger-Ästhetik. Anschließend habe ich ‚Schönheiten‘ aus dieser und der heutigen Zeit gemalt. Das mit den Serien habe ich so weitergeführt und ich habe meine Malerei im Laufe der Zeit von der glatten Öllasurmalerei weg zur deckenden Malerei hin entwickelt.


"In einem guten Porträt steckt auch immer eine Karikatur."


Momentan versuchst du aber auch andere Techniken? Auf deiner Internetseite sieht man neben der Ölmalerei auch Zeichnungen und Karikaturen. 

 

Bislang schon. Aber jetzt haben sich schon ein paar Sachen herauskristallisiert. Ich bin gerade dabei, ein wenig aufzuräumen, den Raum hier zu fragen: Was brauche ich überhaupt? Was ist noch aktuell?  Dann wird auch meine Internetseite insoweit gekürzt, als dass ich nur noch das zeigen will, was ich wirklich zur Zeit mache. Illustration gehört momentan eigentlich nicht mehr dazu, es sei denn, es kommt mal ein Auftrag dazu rein. Wie zum Beispiel von einem Freund, der einen Verlag in Wien hat. Für ihn habe ich mal ein Bild für einen Buchumschlag gezeichnet.

Aber das ist im Grunde nicht so mein Ding. Und ich habe mir gesagt, dass ich nicht alles machen kann und es auch nur wenige Aufträge im Bereich Illustration gibt. Da kann ich es auch gleich aus der Darstellung herausnehmen. Viele Leute sind auch von meiner Internetseite irritiert, da sie denken, ich wäre ein Galerist und würde viele dieser Dienstleistungen verkaufen und nicht selber machen. Aber Karikaturen mache ich noch und das ist eng verwandt mit dem Porträt. Jean Auguste Dominique Ingres hat einmal gesagt: „In einem guten Porträt steckt auch immer eine Karikatur.“ Damit verdiene ich zur Zeit einen Großteil des Geldes, das hier rein kommt, wenn ich dann für Veranstaltungen gebucht werde und live Karikaturen zeichne. Das finde ich spannend, denn ich komme da nah an die verschiedensten Charaktere heran, um sie zu zeichnen. So bekommt man die Atmosphäre der Veranstaltung mit und kann dabei auch noch üben.




Für dieses öffentliche Malen muss man schon offen sein und darf kein Charakter sein, der sich lieber zurückzieht, oder?  

 

Das ist bei mir immer so ein wenig ambivalent. Auf der einen Seite brauche ich Ruhe zum Arbeiten, andererseits liebe ich den Kontakt zu den Menschen hier im Viertel und lasse mich gerne inspirieren oder ablenken. Dies ist wichtig, um wieder mit frischem Blick weitermalen zu können. Jedoch ist das alles auch immer eine Gratwanderung. Auch mit dem Ladenlokal habe ich lange überlegt. Machst du das? Ich dachte, wenn ich die Fenster zuziehe, bin ich ungestört, und die Leute kommen dann zu den Öffnungszeiten, die ich von Anfang an eingeführt habe. Aber erst dann, als ich ein gewisses Angebot an Postkarten und Kunstdrucken meiner Bilder anbieten konnte, damit jeder etwas mitnehmen kann. Vor drei Jahren habe ich das Atelier neu strukturiert und auch die Vorhänge entfernt. Dies hat den Vorteil, dass man von außen mehr Bilder sehen kann und der Raum auch eher wahrgenommen wird, vor allem abends. 

 

Du stehst also ganz öffentlich hier und malst so, dass jeder zugucken kann?

 

Wenn ich mal zum Malen komme, ja. Von draußen durch das Schaufenster ... Wenn ich draußen male, habe ich auch schon mal Zuschauer, aber da es dann eher Landschaften sind, kommt es seltener vor. Beim Zeichnen kann man mir schon mehr über die Schulter schauen. Da ich früher sehr viel draußen gezeichnet habe, in Cafés zum Beispiel, macht einem das irgendwann nichts mehr aus. Das ist dann alles selbstverständlich. Natürlich muss ich wissen, was ich mache, wenn ich eine Karikatur auf einer Veranstaltung zeichne. Da gehört es dann dazu, dass die Leute gucken. Sie stehen dann hinter mir: „Guck mal da, die Nase ...“ Und der Gezeichnete sieht das dann eben nicht. Das bereitet den Gästen und mir Freude. 

 

Dazu gehört aber auch ein gewisses Showtalent.

 

Ja genau. Ich bin jetzt aber niemand, der die Leute animiert. Es gibt da auch Zeichner, die hauptsächlich auf Messen und ähnlichen „offiziellen“ Veranstaltungen aktiv sind. Die können das noch besser und schneller als ich, aber diese Gesichter sind meiner Meinung nach oft zu schematisch. Ich habe festgestellt, dass, wenn ich so ganz bei mir bin und die Leute zeichne, das gut ankommt. Ich bringe dann, ausgehend vom Porträt, eine menschliche Sicht in die Karikatur ein und das mögen die Leute. Die meisten Werke werden dann, eigentlich unbewusst, auf eine bestimmte Art sympathisch.

 

Du machst also keine bösartigen Karikaturen? 

 

Nein, das sicher nicht. Meine Karikaturen sind eher freundlich. 

 

Und damit verdienst du also zum Teil dein Geld?

 

Ja. Aber aufs Atelier bezogen ist es natürlich mein Ziel, mehr Bilder zu verkaufen und Auftragsarbeiten zu machen. Das ist auch am rentabelsten. Ich hatte anfangs gedacht, man könne mal einen Illustrationsjob annehmen und dann wieder ein Porträt malen, aber irgendwann ist eine Spezialisierung von Vorteil. Sonst ist das Ganze zu anstrengend und letzten Endes wird ja auch das angefordert, was ich am liebsten mache und am besten kann: Gemälde oder eben Karikaturen. Das passiert mal mehr, mal weniger. Für Karikaturen auf Privatveranstaltungen gibt es zunehmend Bedarf, weil dies heute ein eher ungewöhnlicher Programmpunkt ist, und viele Gäste positiv überrascht sind.

(Die Tür geht. Ein Kunde fragt nach einer Visitenkarte.) 





Das ist natürlich schön, wenn die Kunden einfach rein kommen und du keine Akquise machen muss. Hast du denn einen Galeristen, der das für dich macht? 

 

Nein, Akquise mache ich eigentlich nicht. Aufträge und Ausstellungen entstehen über das Atelier, meine Internetseite und persönliche Kontakte. Einen Galeristen habe ich auch nicht. Aber es ist schon mein langfristiges Ziel in Galerien auszustellen, wenn meine neue Gemäldeserie fertig ist. 

 

Du machst auch bei der WOGA mit? 

 

Ja, da nehme ich immer teil. Mit der WOGA bin ich gewachsen, denn ich habe zeitgleich mit dem Start der WOGA 2003 mein Atelier eröffnet. Die Veranstaltung schätze ich sehr, weil man die anderen Künstler und Ateliers, die ja oft in Hinterhöfen versteckt sind, kennenlernen kann. Die WOGA verdeutlicht, wie viele Künstler es in Wuppertal gibt, und sie wird stark wahrgenommen. Deshalb ist sie auch eine gute Möglichkeit, neue Kontakte zu knüpfen und sich zu präsentieren.  

 

Hast du sonst noch Ausstellungen?

 

In Wuppertal habe ich an den Orten ausgestellt, die ich „auf dem Schirm“ hatte. Jetzt habe ich beschlossen, an Orten ohne Kunstbezug nur noch gegen Bezahlung auszustellen. Es sei denn, der Ort ist für mich in irgendeiner Art passend oder attraktiv. Verkäufe und damit Einnahmen sind nicht garantiert, man hat aber mehrere Tage Arbeit mit der Vorbereitung und Hängung der Ausstellung. Diese Leistung sollte auch bezahlt werden. Denn die Räume des Veranstalters werden immerhin mit Originalen ausgestattet und er bekommt zudem öffentliche Aufmerksamkeit. Ansonsten stelle ich beim Kunstmarkt hier am Ölberg aus, den ich mit organisiere. Der ist vier Mal im Jahr, ist mittlerweile eine feste Institution und er zeichnet sich durch eine besondere Atmosphäre aus. Das eine oder andere „geht auch über den Tisch“. Der Markt ist Treffpunkt und ein Ort zum Entschleunigen. Hier lernen mich Menschen kennen, die sonst nicht ohne Weiteres ins Atelier kommen würden. 

 

Ist Wuppertal dann der richtige Standort für dich? Könnte man in Düsseldorf nicht besser verkaufen? 

 

Nein, das glaube ich nicht. In Düsseldorf gibt es zwar viele kaufkräftige Kunstinteressierte, aber dort ist die Konkurrenz auch größer. Da müsste ich mir erst einmal einen Namen machen, denn Käufer die regelmäßig Kunst kaufen und dafür relativ viel Geld ausgeben, kaufen oft bei Künstlern mit einem guten Namen in der Kunstszene und bei renommierten Galerien. Hier in Wuppertal gibt es auch reiche Sammler, aber die gehen meistens nach Düsseldorf, um dort Kunst zu kaufen, und kommen nicht zu mir. Sie würden auch in Düsseldorf nicht zu mir kommen, da gibt es einfach zu viele Künstler, die in der Kunstszene höher gehandelt werden. Aber ich verkaufe auch hier im Atelier und auf Ausstellungen höherpreisige Ölbilder. Diese Käufer sind jedoch nicht unbedingt Kunstspekulanten oder Sammler. Sondern ihnen gefallen einfach meine Bilder und sie haben das Geld dafür und sind bereit, es für Gemälde zu investieren. Mir ist es wichtig, wenn die Käufer meine Bilder auch wirklich schätzen. 

 

Du möchtest also in Wuppertal bleiben?

 

Ja, ich mag die Stadt. Seit 2003 habe ich hier dieses Atelier, und ich wohne auch gleich dahinter. Dieser Teil der Straße gefällt mir besonders gut, weil er lebendiger ist. Im anderen Teil gibt es zwar schöne Häuser, aber dort fehlt es an Ladenlokalen. Da wohnen mehr die Wohlhabenderen. Ich finde, so reine Wohngebiete sind irgendwie tot. Aber hier spielt das Leben. Ich mag es, wenn die Menschen hier in mein Atelier schauen, und ich die meisten von ihnen kenne. Manchmal sitze ich auch vor dem Atelier, hier auf dem Mauervorsprung, und esse. Dann kommen Leute vorbei und es grüßen mich Menschen, die ich nicht kenne, zumeist ältere türkische Nachbarn. Sie wünschen mir guten Appetit. Das finde ich toll. Das Leben hier ist multikulturell und vielfältig und die Integration ist bereits seit Jahren gelungen.


"Hier auf dem Ölberg lebt man Alltag. Äußerlichkeiten zählen hier nicht so viel."



Hast du auch andere Lieblingsorte in Wuppertal? 

 

Ich mag die dreckigen, düsteren Orte in Wuppertal. Auch die architektonischen Kontraste finde ich sehr attraktiv. Besonders reizen mich die Gründerzeitviertel und die überraschenden Blicke ins Tal, zum Beispiel von hier oben, vom sogenannten Ölberg aus. In Düsseldorf sind die Menschen allgemein gesagt oft oberflächlicher und streben mehr nach Statussymbolen. Hier auf dem Ölberg lebt man Alltag. Äußerlichkeiten zählen hier nicht so viel. Aber es gibt hier auch andere Leute. In der Nachbarschaft haben wir einen, der betont immer gerne seinen lukrativen Job und seinen letzten Urlaub. Das wollen aber die meisten nicht hören und er geht hier damit einigen auf die Nerven.

Insgesamt finde ich es wichtig, dass die Mischung von Menschen aus unterschiedlichen Bildungs- und Einkommensschichten und Kulturen stimmt, da kann man viel voneinander lernen und es wird nicht langweilig.

 

Du hast aber auch noch einen ‚richtigen‘ Job? 

 

Ja, ich bin Mitarbeiter im Warenverteilzentrum eines namhaften Textilkonzerns. Dort werden Kleidungsstücke

angeliefert und verkaufsfertig gemacht und ich arbeite dort im Warenausgang. Das ist eine Dreiviertel-Stelle. Ich finde das ganz in Ordnung. Außerdem bin ich dort als Betriebsrat und Vertrauensmann der Gewerkschaft aktiv und setzte mich für die Rechte der Mitarbeiter ein. Da kann ich den Menschen helfen. Das gefällt mir, weil es

Sinn macht. Diese bodenständige Tätigkeit ist für mich der fruchtbare Gegensatz zur Malerei. Zudem bekomme ich hier Anregungen und Impulse, die sich auch in meinen Bildern niederschlagen. Von morgens bis abends könnte ich nicht malen. Hier habe ich das Gefühl, etwas Notwendiges zu tun, den Menschen zu helfen. Diese direkte Wirkung fehlt mir in der Kunst. Sie kann nur mittelbar wirken, indem sie zum Nachdenken anregt. 

 

Was heißt nur mittelbar wirken? Du willst ja auch etwas ausdrücken. Das hat doch eine Wirkung.

 

Ja, das stimmt schon, aber es ist eben nicht so direkt. Demnächst möchte ich aber vielleicht mehr politische und gesellschaftliche Themen in den Bildern aufgreifen.

 

Was malst du denn aktuell? 

 

Ich bin gerade dabei, meine Bilder zu sichten und sie neu zusammenzustellen. Auch im Sinne meiner neuen Serie, wo Bildpaare eine Rolle spielen. Ich beschäftige mich wieder mit der Öllasurtechnik und stelle alte Meister meinen eigenen Motiven gegenüber. Dazu schaue ich auch, ob ich alte Gemälde und Zeichnungen wiederverwenden kann. Manch ein Bild wird dann in einem anderen Kontext neu angeordnet. Entweder es passt im Format, oder ich zerschneide die Bilder und ziehe sie neu auf und stelle sie ganz neu zusammen. Ein kleines Atelier zwingt einen mehr als ein großer Raum zum Aufräumen und Aussortieren.  

 

Was genau ist Öllasurtechnik? 

 

Im Unterschied zur Alla Prima Malerei arbeitet man in vielen Schichten. Man legt immer wieder neue transparente Schichten übereinander. So entsteht eine besondere Leuchtkraft. Das dauert aber auch länger als die normale Ölmalerei. Da braucht man Geduld. Aber das schult, weil man jeden Schritt überlegen muss. Korrekturen sind nur schwer möglich.

 

Bist du eigentlich Vegetarier?  

 

Nein. Ich liebe Fleisch. Du spielst auf meine Fleischserie an. Eine Motivation dazu war es auch, gegen den radikalen Veganismus zu protestieren. Ich selbst esse und koche sehr gern, und der Bereich ist mir so wichtig, dass ich angefangen habe, Essen zu malen. Der Auslöser des Fleischthemas war der Auftrag für ein Stillleben. Daraufhin habe ich mein damaliges Lieblingsessen gemalt: Perlhuhn bardiert mit Bauchspeck. Auch ein Spanferkel am Spieß fasziniert mich, das hat etwas Archaisches ...     

 

Die Fleischdarstellungen sind aber schon bedrohlich. 

                                             

Damit will ich nicht in erster Linie provozieren, sondern nur die Realität darstellen. Mir ist schon bewusst, dass das Thema an sich aufrüttelt, aber mir geht es um die ganzheitliche Darstellung. Das ist mir wichtig. Man sollte sich der Realität stellen. Heute nehmen die Käufer die ordentlich verpackten Fleischstücke aus der Kühltruhe und der Bezug zum Tier ist verloren gegangen.

Manch einer möchte sein Schnitzel essen, ohne sich damit auseinanderzusetzen. Ich war in einem Fleischbetrieb und die langen Reihen von Schweinehälften haben mich beeindruckt. Die dort gemachten Fotos dienten mir unter anderem als Vorlage für die Fleischserie.

 

Und deine Fleischserie kombinierst du jetzt mit alten Meistern? 

 

Ja genau. Jetzt erstelle ich aus Bildern meines Bestands neue Arrangements, sozusagen collagierte Gemälde. Dabei habe ich das Konzept der letzten Serie aufgegriffen in der ich unter anderem auch Fleischbilder mit alten Meistern kombiniert habe. Hier haben die Bilder zum Beispiel gut zusammengepasst. Dieses Bild heißt „Die treibenden Kräfte“. Ich habe zwei Gemälde meiner Fleischserie zusammenmontiert und mit einer Aktzeichnung und dem Kunstdruck eines Bildes von Rembrandt kombiniert. Dieses Gemälde Rembrandts zeigt eine Zusammenkunft der Tuchmacher, ich habe es im Original in Amsterdam gesehen.


"Meine Bilder sollen zum Nachdenken anregen."


Welche Botschaft steckt für dich dahinter? 

 

Meine Bilder sollen zum Nachdenken anregen. Aber jeder Betrachter hat seine eigene Art der Interpretation, da will ich nicht vorgreifen. Aber natürlich habe ich auch meine eigene Idee davon: Dieses Bild zeigt die Tuchmacher während einer Begutachtung. Sie treten selbstbewusst und nach außen untadelig auf. Doch oft haben auch diese Funktionsträger „ihre Leichen im Keller“. Zum Beispiel könnte einer der Dargestellten eine Geliebte haben, was die Assoziation zum Akt nahelegt. Das Fleisch als Untergrund steht für mich dafür, dass das Geschehen auf Kosten anderer Lebewesen geht. Wenn man so will im Sinne des Essens von Tieren und der Ausbeutung Schwächerer. Aber, wie gesagt, dazu kann sich jeder seine eigenen Gedanken machen.  

 

Was wünschst du dir für deine Zukunft? 

 

Mehr Kundschaft wäre natürlich gut. Aber ich bin zufrieden, weil ich das erreicht habe, was ich immer wollte: In meinem Atelier Bilder zu malen. Hauptsache ich kann hier so weiter machen. Sehr wichtig dabei ist jedoch, dass ich unabhängig von externen Geldgebern oder Galeristen meine Motive selbst bestimmen kann. Denn Kunst ist mehr als bloßes Bildermalen. Sie ist für mich ein Mittel, eine eigene Position zu entwickeln, Themen, die mich berühren, zu artikulieren. Kunst ist meine Nahrung. Auch eine Art Therapie. Ein Wunsch wäre noch, irgendwann regelmäßig Bilder zu verkaufen, sodass ich davon leben könnte. An Leute, die genau das schätzen, was ich male.  #

 

 

Zur Person

André Kern - Jahrgang 1971 - geboren in Bendorf/Rhein. - Diplom-Kommunikationsdesign/Schwerpunkt Illustration - lebt und arbeitet in Wuppertal
Atelier KernKunst, Marienstraße 29 

 

www.kern-kunst.de


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