"Ich möchte das Nicht-Beschreibbare beschreiben."

 

Piet Biniek ist Therapeutin und Künstlerin.

Piet Biniek lässt sich in keine Schublade stecken und ist ständig auf der Suche. In Berlin studierte  sie Philosophie und Literatur, beschäftigte sich jahrelang mit Tanz und Theater und machte eine Ausbildung zur Heilpraktikerin für Psychotherapie sowie zur Yogalehrerin. Jetzt lebt die freie Künstlerin in Wuppertal. Dort arbeitet sie als Therapeutin in ihrer eigenen Praxis und befasst sich intensiv mit der Fotografie. Therapie und Kunst sind für die 50-Jährige eng miteinander verknüpft, da beide dazu dienen, dem Unsagbaren eine Form zu geben und für andere sichtbar zu machen.

Du hast wahnsinnig viel gemacht: Literatur, Philosophie, Tanz, Fotografie usw. Bist du auf der Suche nach etwas? Und bist du dort gelandet?

 

Piet Biniek: Ich suche immer. Aber an „Landen“ glaube ich nicht so richtig. Ich glaube, dass man an einem guten Punkt ankommen kann, aber ich denke nicht, dass man irgendwo landen und sagen kann: Okay, das war‘s jetzt. Willst du meine Geschichte hören? 

 

Dafür sind wir hier. 

 

Ich bin hier in Hilden geboren und der einzige Plan, nachdem ich Abitur gemacht hatte, war: Weg hier! Ich bin nach Berlin gegangen und habe mich dann erst einmal für meine Abifächer eingeschrieben, das waren Mathe und Deutsch. Ich dachte mir, ich schau da erst einmal ... Damals konnte man noch ohne NC studieren. Doch dann habe ich Leute aus der Philosophie kennen gelernt und festgestellt, dass Mathe überhaupt nichts für mich ist. Die Philosophie habe ich wie eine „Erleuchtung“ erlebt. Philosophie fragt danach: Wo kommt der Mensch her? Wie ist die Welt beschaffen? Das Fragen muss sein! Es muss einfach die Bereitschaft da sein, etwas zu hinterfragen. Ich glaube, das ist es, was das Therapeutensein und mein Künstlertum zusammenbringt: Dass man ewig auf der Suche ist. 

 

Damit hat es angefangen. Und ich habe in meinem Leben stets das Glück gehabt, dass mir immer wieder jemand begegnet ist, durch den sich wieder etwas Neues ergeben hat. Ich war also damals total drin im Philosophie- und Germanistikstudium, in Grammatik und Logik und dann habe ich plötzlich jemanden kennen gelernt, der Tänzer war und durch ihn bin ich zum Tanzen gekommen. Das war großartig, eine ganz neue Erfahrung. Ich war vorher so etwas wie ein Kopf auf zwei Beinen und plötzlich gab es ganz andere Dinge. Das war echt toll und so habe ich das Studium unterbrochen und habe nur noch getanzt. Das ging dann zehn Jahre so. Finanziert habe ich das über Betreuungsjobs als persönliche, private Assistenz für Menschen, die mit Behinderungen leben. Plus tausend anderer diverser Studentenjobs. Das war auch super. Ich habe im Laufe der Zeit durch die sehr verschiedenen Jobs so unterschiedlichen Zugang zu den Menschen und der Welt bekommen. 

Jetzt verfussel ich mich langsam ... (lacht)  


'how to dissolve'
'how to dissolve'

Es gab einerseits die Philosophie und das Nachdenken über die Welt und auf der anderen Seite das Tanzen, Bewegen und Bewegtsein. Und dann bin ich schwanger geworden … Das war noch einmal eine ganz andere Erfahrung. Ich habe dann trotzdem noch ziemlich lange getanzt, auch hochschwanger. Noch bis zum achten Monat. Und danach habe ich gedacht, jetzt würde es endlich Zeit, das Philosophiestudium zu beenden. Ich brauchte nur noch einen Schein. Aber dann war da der Tanz und ich hatte meine Tochter, die mittlerweile zweiundzwanzig ist. Als ich dann über Hegel schreiben wollte, da ging das nicht mehr. Mein Kopf war komplett zu. Ich konnte eigentlich nur noch körperliche Sachen machen. Und so habe ich das Studium wieder abgebrochen, bin ausgestiegen und habe es auch nie zu Ende gemacht. Das war so meine Hochzeit in jeglicher Hinsicht.

 

Ich habe zu der Zeit Tanz und Performances gemacht und in einer großen WG gewohnt. Da haben wir an manchen Abenden Lesungen oder Performances gemacht. Das war eine Zeit, in der ganz viel passiert ist, auf verschiedenen Ebenen, und das hat sich erst verändert, als nach und nach meine Mitbewohner weggegangen sind, sich etabliert haben. Meine Tochter ist da mit aufgewachsen. Ich wollte nie so eine Vater-Mutter-Kind-Geschichte, da hatte ich totale Panik vor.  Und dann habe ich über einen Mitbewohner angefangen, mich wieder mit Theorie auseinanderzusetzen, was eine Zeit lang völlig weg war. Das ging dann so in Richtung John Lilly (Neurologe, *1915/†2001), William S. Burroughs (Schriftsteller, *1914/†1997) und Neurowissenschaften im allgemeinen.

Das ist schon unheimlich vielfältig, auch wenn man da die Entwicklung sieht ... 

 

Ich finde, dass das alles wahnsinnig zueinander passt. Es gab eine Zeit, da dachte ich auch schon mal ganz blasiert, ich hätte im Theater alles schon gesehen! Aber das war natürlich totaler Quatsch! Aber mit dem Lesen hatte ich dann auch wieder mehr Lust auf Sprache und habe angefangen, Theater zu machen, Bewegungstheater mit Sprache. Das letzte Stück, das ich in Berlin gemacht habe, das war 2006, war ein sehr sperriges Stück, was ich sehr mochte. Die Hauptresonanz dazu war aber nur: „Du machst so schöne Bilder!“ Deswegen habe ich dann angefangen zu fotografieren. Ich dachte mir, okay, wenn ihr keine Lust habt, euch hinzusetzen und euch das Stück drei Stunden lang anzusehen, dann mache ich eben nur noch Bilder. So kam ich zur Fotografie. Vorher hatte ich auch schon mit Yoga angefangen und habe zeitgleich eine Yogalehrausbildung gemacht bei einem indischen Jogi, auf den ich durch Zufall gestoßen bin. Danach habe ich eine Grundausbildung in Psychologie gemacht, weil ich dachte, dass ich mich doch mal etablieren müsste. Ich konnte doch nicht die ewige Studentin bleiben, die ständig nach einem Nebenjob schauen muss. So kam es, dass ich 2008 die Heilpraktikerin für Psychotherapie gemacht habe. In Berlin hatte ich mich aber nicht getraut, eine Praxis zu eröffnen, da es dort tausende Leute gibt, die alles Mögliche machen. 

 

Und dann habe ich meinen Freund kennen gelernt und ich bin zu ihm gezogen und ich habe hier ganz von vorne angefangen. Ich finde das ganz spannend, an einem Ort wie Wuppertal neu anzufangen. Was ich hier machen kann ... die Ausstellung, die ich hier hatte oder die Kurse, die ich gebe … wenn ich das in Berlin machen würde, dann wäre es ein großer Zufall, wenn das klappen würde, denn dort gibt es eben zu viele Leute, die das auch alles machen.

Gleichzeitig hat mich natürlich mein Freund immer unterstützt und so hatte ich auch die Möglichkeit, mit Dingen zu experimentieren. Als die Praxis zum Beispiel noch nicht so voll war, habe ich wie blöde Fotos gemacht. Das sind ja meistens eher Inszenierungen. Ich fotografiere ja nichts, was es schon so gibt, sondern es entsteht in meinem Kopf und muss dann da raus aufs Bild. Und dann habe ich irgendwann die Tanztherapieausbildung angefangen. Ich finde, das hat alles letztendlich so zusammengepasst … Die Psychologie ist ja historisch gesehen aus der Philosophie erwachsen. Da gibt es also eine kontinuierliche Entwicklung. Ebenso vom bewegten Bild zum Bildausschnitt. Und ich finde es so cool, dass ich das beides so machen kann, gleichzeitig! Dass ich hier meine eigenen Räume habe, ist super. 

 

Wie lange bist du jetzt schon hier? 

 

Diese Räume haben wir jetzt seit Herbst 2012. Zuerst hatte ich Räume angemietet und dann war ich auch eine Zeit bei meinem Freund mit in der Praxis. Er ist Analytiker. Ich war dort immer, wenn er frei hatte, aber das ging irgendwann nicht mehr. Und so dachten wir einfach, dass wir das hier machen sollten.  

 

Die Räume hier sind ja auch wunderschön. Machst du in diesen Räumen auch Tanztherapie? 

 

Ja, genau. Wir sind jetzt hier im Sprechzimmer und dahinten ist der „Bewegte Raum“. 




Wie viel Zeit nimmt deine Arbeit in Anspruch und wie viel Zeit bleibt dir noch zum Fotografieren? 

 

Ich unterscheide das nicht. Ich unterscheide auch eigentlich nicht zwischen Freizeit und Arbeit. Alles was ich mache, gehört irgendwie zu mir. Klar, Praxis ist natürlich etwas, das festgelegt ist, weil die Leute zu bestimmten Zeitpunkten kommen. Ich habe über 20 Patienten und das reicht mir voll und ganz. Mehr könnte ich, glaube ich, nicht verkraften. Und ich nutze, mehr oder weniger, jede freie Minute um etwas anderes zu machen. Ich habe neue Objekte für den Kunstmarkt bestellt, ich habe neue Fotos gemacht, ich habe ein neues Buch gemacht … ich mache vieles zwischendurch, auch zwischen den Stunden. 

 

Ein neues Buch? Schreibst du auch? 

 

Das ist jetzt ein Fotobuch. Aber ich schreibe tatsächlich auch Geschichten, aber das ist ja nur so für Freunde. 

 

Die Fotografie ist aber zur Zeit deine größte Leidenschaft oder hast du nochmal vor, zu tanzen oder Theater zu spielen? 

 

Oh ja, ganz bestimmt! Aber dazu muss man ja erst einmal Zeit haben. Ich war ganz kurz hier in einem Tanzprojekt mit drin, aber das entsprach nicht dem, was ich auf der Bühne machen möchte und ich bin wieder ausgestiegen. Aber sowas möchte ich schon total gerne wieder machen. Doch was mir hier durch 26 Jahre Berlin so ein bisschen fehlt, sind die Kontakte. Ich habe hier nicht so einen super großen Freundeskreis und mit Patienten geht man auch nicht aus. Und Kollegen habe ich ja auch nicht. Von daher fehlen mir hier die Leute, die ich mal fragen könnte, ob sie Lust auf ein kleines Projektchen hätten. Das wächst jetzt so langsam, aber es war schwierig. Ich gehe ja auch nicht mehr einfach so alleine raus und setze mich in die Kneipe … 

 

War das in Berlin einfacher? 

 

Das ist eher das Alter (lacht). Ehrlich. Also, ich kenne ganz viele Leute aus dem Studium, ich kenne ganz viele Leute aus der Tanzszene, ich kenne viele Leute aus politischen Ecken … Aber dazu geht man ja auch in einen bestimmten Raum, um Leute kennen zu lernen. Hier gibt es einfach nicht so viele Räume. Und wenn ich weg gehe, besteht auch immer die Gefahr, dass ich dort Patienten treffe und mich zurückziehen muss. Ich halte mich also wirklich die meiste Zeit hier in diesem Haus auf. Aber das hat nicht unbedingt etwas mit Berlin oder Wuppertal zu tun … als ich Mitte zwanzig war, bin ich abends einfach in die Kneipe gegangen und das mache ich einfach nicht mehr. 

 

Ist Wuppertal denn jetzt Heimat für dich geworden oder vermisst du Berlin? 

 

Beides. Ich finde Wuppertal spannend und ich bin hier zu Hause, aber manchmal vermisse ich Berlin schon noch. Wir haben auch noch ein Zimmer da. Als meine Tochter damals dort ausgezogen ist, habe ich ihr Zimmer dort angemietet. Aber mit dem Wort „Heimat“ kann ich nichts anfangen, ich tue mich mit dem Begriff immer sehr schwer. Aber ich finde, Wuppertal ist eine gute Stadt. Und ich habe auch schon wahnsinnig viele interessante Leute hier kennengelernt. Ich habe den Eindruck, es liegt auch an Leuten wie Pina Bausch (Tanz-Choreografin, *1940/†2009) oder Tony Cragg (Bildender Künstler, *1949) und all den anderen Künstlern, die hier gelebt und gearbeitet haben, dass die Leute hier offener sind. Offener als beispielsweise in Hilden. Hilden ist immer noch ein Alptraum für mich und da will ich auch nie wieder hin. Wuppertal ist da schon anders, es ist irgendwie aufgeschlossener und bunter. Das gefällt mir schon hier … 

 

Zurück zu deinen Fotos. Was ist da dein zentrales Thema? 

 

Bildstörung und Identität. 

 

Auf vielen deiner Bilder sind Menschen zu sehen. Ist das wichtig für dich? 

 

Das sind fast alles Selbstporträts. Mal mit Masken, mal ohne.

 

Welche Serie ist gerade aktuell? 

 

Die Pferdeköpfe sind neu. Ich finde es immer total spannend, zu gucken, was bei sowas herauskommt. Wenn ich so eine Maske auf dem Kopf habe, dann muss mir mein Freund helfen oder ich mache das mit Selbstauslöser. Mit der Maske sieht man ja auch nicht so viel und das ist dann schon gefährlich. Aber dann zu sehen, was diese Maske mit dem Körper so macht, das ist unheimlich spannend. Das Schwein oder der Hase machen andere Dinge als das Pferd. Und ich glaube, das passiert ganz automatisch. 

 

Dann wurden im Grunde viele Bilder von deinem Freund fotografiert? 

 

Am Anfang steht die Bild-Idee, und wenn es geht, fotografiere ich natürlich selbst. Die Selbstporträts entstanden fast alle mit 10-Sec Self-Timer. Aber mit den Masken sehe ich häufig nichts und dann frage ich ihn schon mal, ob er mal Zeit dafür hat. Das letzte, was ich gemacht habe, sind diese „Himmel und Hölle“-Bilder. Die habe ich hier auch als Postkarten.  

 

Und die Masken? Hast du die selber gemacht oder wo hast du die her? 

 

Die sind aus einem Karnevalsladen in Berlin. 

 

Deine Fotografie betreibst du also nur als freie Kunst oder hast du auch Auftragsarbeiten? 

 

Eigentlich bin ich da nur frei. Es sei denn, die Leute kommen auf mich zu und fragen mich nach besonderen Porträtfotos, die mal ausgefallen und ganz anders sind. Ich sage dann, was ich mir vorstelle und schaue, ob ihnen das gefällt.


"Wenn etwas fertig ist, dann gibt man es aus der Hand."


Was wolltest du mit der Himmel-und-Hölle-Serie ausdrücken? 

 

Das war eine Reaktion auf die ganzen Selbstmordattentate. Da geht es eigentlich um die Frage: Was muss man tun, um in den Himmel zu kommen und der Hölle zu entweichen. Ich glaube, manche Leute sehen, was da teilweise hinter steckt und andere finden es einfach nur niedlich. Aber das ist mir im Grunde egal, weil ich denke, dass jeder, der Kunst anschaut, sowieso damit macht, was er will. Wenn etwas fertig ist, dann gibt man es aus der Hand. Und das muss man dann auch so geschehen lassen.  

 

Richtig, jeder sollte die Möglichkeit seiner eigenen Interpretation haben. 

 

Doch wenn mir manchmal jemand etwas erzählt, was ich selber gar nicht gesehen habe, dann ist das schon komisch. Aber dann ist ja tatsächlich etwas da, nur ich habe es selber nicht bemerkt. Ich glaube, dann ist das etwas, das aus dem vorsprachlichen Bereich oder aus dem Unterbewusstsein herauskommt und sich dann erst im Bild zeigt.  

Und was ist, wenn jemand etwas in deine Bilder hinein interpretiert, das überhaupt nicht deine Intention war? 

Da kommt mir dann mein Beruf wieder zugute. Dann kann ich eigentlich nur sagen: „Das sagt mehr über dich aus als über das, was ich gemacht habe.“ Und das behalte ich dann aber für mich (lacht). Außer ich habe das Gefühl, derjenige ist an einem Gespräch interessiert. Im Flur steht zum Beispiel dieses rote Bild („how to dissolve“). Das ist eines von meinen absoluten Lieblingsbildern. Das ist auch schon uralt. Und da gibt es wirklich die unterschiedlichsten Meinungen. Einige finden es wunderschön und möchten es sich ins Schlafzimmer hängen und manche Leute wurden da schon zu Tötungsfantasien angeregt. Das finde ich schon spannend.  

 

Hast du schon Ideen für ein neues Projekt? 

 

Ich habe erst letztes Jahr das Schwimmbad in der Mirke entdeckt. Und ich würde gerne dort eine Performance machen. Lustigerweise war das letzte Stück, das ich in Berlin gemacht hatte, in einem alten Schwimmbad, das nicht mehr in Betrieb ist. 

 

Und hast du dazu schon ein Thema? 

 

Eigentlich nicht. Wenn ich jetzt pathetisch wäre, würde ich sagen: Ich schaue mal, was mir der Raum erzählt (lacht). Nein, keine Ahnung. Dadurch, dass ich auch jetzt so lange nichts mehr auf der Bühne gemacht habe, würde

ich dann erst mal sehen, wie es mir da so geht.

Ein großes Thema ist für mich gerade natürlich „das Älterwerden“ und „Einschränkungen“. Zum einen werde ich dieses Jahr fünfzig und zum anderen hatte ich 2013 eine Tanzverletzung, die nicht mehr weggeht. Das heißt schlicht und einfach, ich kann nicht mehr alles machen, was ich gerne machen würde.

Das ist aber in Ordnung, weil man so etwas auch immer für sich mitnehmen kann. Die Frage, was es für einen bedeutet, dass gewisse Bewegungen nicht mehr gehen, ist wichtig. Aber ich finde das Schwimmbad und diesen Raum da eben gut und würde einfach mal forschen und gucken, was passiert. Dann wird sich das schon zeigen, da habe ich volles Vertrauen. 





Lässt du lieber alles auf dich zukommen und planst wenig?

 

Ja. Manchmal habe ich da auch Angst, aber letztendlich bin ich ja mittlerweile auch alt genug und sehe, dass ich darauf vertrauen kann, dass sich immer etwas ergibt. So gesehen, um auf die Anfangsfrage zurückzukommen, gibt es schon eine Form von „Angekommensein“. Ich glaube, dass das, was ich jetzt hier tue, wirklich die Essenz aus sehr vielen Dingen ist, die ich davor gemacht habe. Das glaube ich schon. Es ist ein gutes Ankommen, aber auch eine gute Startposition, um woanders hingehen zu können. Was ich selber besonders spannend finde ist, wie sich die fotografische Arbeit entwickelt hat, vom Anfang bis jetzt. Da ist schon ein deutlicher Qualitätsunterschied. 



"Ich bin Therapeutin und ich bin Künstlerin."


Du musst aber auch nicht von deiner Kunst leben. 

 

Ich habe aber auch schon erstaunlich viel verkauft. Und auch schon einen Preis gewonnen und fände es auch toll, wenn es mehr würden. Aber mein Lebensunterhalt ist ja durch die Praxis gesichert und so fände ich es hauptsächlich gut, wenn ich durch die Fotografie Anerkennung gewinnen würde. Ich habe es einfach gut, dass ich zwei Sachen mache, die mir wirklich am Herzen liegen: Ich bin Therapeutin und ich bin Künstlerin.  

 

Warum bietest du nicht auch Kunsttherapie an? 

 

Ich habe auch schon überlegt, ob ich diese Fortbildung noch machen soll. Denn ich glaube nicht an die eine absolute Therapieform, sondern ich denke, dass für jeden Menschen etwas anderes stimmen kann. Ich habe Patienten, bei denen ich immer denke, dass sie etwas gestalten sollten. Das fände ich toll und das würde ich gerne auch bieten. Für manche Menschen ist es wichtig, Dinge entstehen zu lassen und mit Material zu arbeiten und mit den eigenen Händen etwas zu machen. 

 

Ist die Fotografie für dich selbst auch Therapie? 

 

Das war eigentlich eher der Tanz. Es ist auf jeden Fall eine Art, etwas auszudrücken, das man mit Sprache nicht ausdrücken kann. Das ist für mich das wichtigste! Es gibt da einen Butoh-Tänzer, Min Tanaka, den ich gerne zitiere. Der hat gesagt: „Tanzen bedeutet, sich einer vorab definierten Norm zu widersetzen und an etwas zu rühren, das man sich nicht alleine nehmen kann.“ Das ist etwas, das könnte ich gar nicht beschreiben, weil es nicht beschreibbar ist. Aber die Menschen fühlen sich dadurch berührt. Und das ist eben dieser therapeutische Effekt. Zum einen, dass es aus mir raus kommt und dass es andererseits sichtbar wird. Aber nur zu sagen, dass Kunst Therapie sei, das ist mir zu einfach. 

 

Du machst so einen ausgeglichenen Eindruck, liegt das am Ausgleich von Kopf und Körper? 

 

Vielleicht. Ich möchte da auch nichts missen. Ich war da zuerst sehr kopflastig, während meines Philosophiestudiums und dann kam der Tanz und der Kopf wurde weniger wichtig und dann war es auch wieder umgekehrt. Ich bin auch bewegungssüchtig und würde keins von beidem missen wollen. 

 

Ist es dir auch Befriedigung, anderen Menschen zu helfen? 

 

Ja. Das kann ganz, ganz toll sein, wenn man merkt, da ist etwas rüber gekommen und da verändert sich gerade etwas. Und es geht jemandem besser. Auf jeden Fall. 

 

Wie startest du morgens in den Tag? 

 

Mit Kaffee. Es muss ein italienischer Espresso sein, eine große Kanne voll. Und dann setze ich mich tatsächlich erst einmal an den Rechner. Und dann kommt es darauf an, wie schnell der erste Patient kommt. Es kann sein, dass ich eine halbe Stunde Yoga mache oder Fahrrad fahre. Ich bin Langschläfer. Vor zehn Uhr bin ich zu nichts zu gebrauchen. #

 

Zur Person

Piet Biniek - Jahrgang 1966 - geboren in Hilden - Studium der  Germanistik und Philosophie sowie Tanz und Schauspiel in Berlin  - Ausbildung zur Yogalehrerin - Ausbildung zur Heilpraktikerin für  Psychotherapie - Künstlerin seit 25 Jahren - eine Tochter - lebt und arbeitet in Wuppertal

 

fotografie.pietbiniek.de


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