"Am schlimmsten ist es,  wenn ich ein Bild sehe  und es sofort verstehe.“ "

 

Die surrealen Welten von Tim Leimbach.

Tim Leimbachs Bilder haben sowohl etwas Verstörendes als auch Vertrautes an sich. Er liebt das Spiel mit Größenverhältnissen und interessiert sich für Räumlichkeit und skulpturelle Formen. Der junge Künstler ist Autodidakt und kann bereits von seiner Kunst leben. Dennoch bewirbt er sich gerade an verschiedenen Akademien, auch um den Kontakt zu anderen Künstlern zu suchen. Sein Lieblingsmedium ist die Ölfarbe und sein Lieblingsmaler Francis Bacon. Davon inspiriert liebt er auch das Chaos, sowohl in seinen Bildern als auch im Atelier.

Du bist Autodidakt. Warum möchtest du jetzt noch studieren? 

 

Tim Leimbach: Dazu zwingt einen so ein bisschen der Markt. Denn ich stoße immer wieder auf negative Stimmen. Speziell bei der letzten Ausstellung bei Christian Ose, da war eine Dame, die kam zu mir und hat mir ihre Bewunderung für die Bilder ausgesprochen und hat mich gefragt, ob ich gerade an der Akademie fertig studiert hätte. Da hab ich gesagt: „Nein, aber das versuche ich vielleicht noch.“ Und dann kam auf einmal die Frage, ob denn dann die Preise nicht ein bisschen sehr hochgegriffen wären, wenn man doch nur als Autodidakt arbeitet. Es herrscht schon immer noch diese Mentalität, das typisch Deutsche eben: Wenn du keinen Zettel hast, auf dem drauf steht, dass du es kannst, dann kannst du es nicht. Und das ist so ein Grund. Und natürlich interessiert es mich einfach, unter anderen Künstlern zu sein. Ich bin ja hier sehr isoliert.

 

In Wuppertal gibt es natürlich sehr viele Künstler, aber man hat untereinander gar nicht viel miteinander zu tun. Speziell in Düsseldorf, an der Kunstakademie, habe ich mich schon mal öfter umgesehen und bin da durchgelaufen und es ist schon interessant, wie schnell man da ins Gespräch kommt. Man kommt natürlich auch eher an Ausstellungen ran, es gibt Gruppenausstellungen und man hat Veranstaltungen, die man besuchen kann. Man kann auch einfach mal beim Aktzeichnen reinspazieren, wenn man möchte, dazu muss man nicht einmal da studieren. So etwas finde ich eigentlich schon ganz spannend, auch um sich ein wenig mehr zu vertiefen. Man muss schon wissen, was gerade so in der Kunstwelt passiert. Da reicht es eben nicht, das im Internet nachzulesen, sondern man muss eben unter Leuten seiner Generation sein. 


"Kunst wird zur Aktie."


Es ist schade, dass so viel an einem Abschluss liegt. 

 

Ja. Vor allem weil die Geschichte zeigt, dass es absolut nicht nötig ist. Einer der teuersten Maler der Neuzeit, Francis Bacon (*1909/†1992), der hat niemals einen Fuß in eine Kunstakademie gesetzt. Und post mortem gehen jetzt die Bilder für 120 Millionen weg. Da fragt keiner mehr nach dem Abschluss, den der Mann gemacht hat. Aber mittlerweile ist vielleicht der Markt ein wenig übersättigt und dann braucht man neue Kriterien, was die Kunst angeht. Das hat natürlich auch viel mit Investment zu tun. Kunst wird zur Aktie. 

 

Kannst du denn momentan von deiner Kunst leben? 

 

Nahezu. Ich habe einen Nebenjob, er schimpft sich 450-Euro-Job. Aber an die 450 Euro komme ich im Monat überhaupt nicht ran, sondern ich habe meist um die 200 Euro. Und der Rest kommt dann über die Kunst rein. 

 

Das können nicht viele Wuppertaler Künstler von sich sagen. 

 

Ich habe mich einfach irgendwann dazu entschieden und arbeite nur noch einen Tag in der Woche woanders, vorher waren es mal drei. Aber da habe ich einfach gemerkt, ich komme so gar nicht mehr rein. Wenn ich versuchte, Kunst zu machen, dann war ich gerade drin und musste am nächsten Tag schon wieder arbeiten.

 

Das kann man auch irgendwie als Luxus ansehen, dass ich halt sechs Tage die Woche mache, was ich will.

Aber ich muss ja auch davon leben, deshalb hängen hier hinten im Atelier auch zwei wunderbare Beispiele, wie dieser Spagat funktioniert. Ich wäre nämlich niemals auf die Idee gekommen, ein Auto zu malen … 

 

Ist das jetzt eine Auftragsarbeit? 

 

Ja, das ist eine Auftragsarbeit. Das kann ich eben auch bedienen. Und das ist auch gut. Ich habe mir diese Technik ja jetzt lange Jahre beigebracht. Und wenn ich dann einfach drauflos male, sieht man sowas. 

 

Wer möchte denn so ein Gemälde von einem Auto? 

 

Das ist tatsächlich ein ehemaliger Klassenkamerad. Er ist Trans-M-Fan und hatte auch schon mehrere von diesen Kisten und der kam einfach damit auf mich zu. Ich bin aber noch mitten in der Entstehung. Aber das ist natürlich einfach nur Fleißarbeit. Das hat für mich wenig mit Kunst zu tun. 

 

Lernt man trotzdem etwas dabei? 

 

Ja, man lernt das Handwerk. Speziell, wenn es um so Autolack geht und wie viele verschiedene Farbtöne, Facetten und Schattierungen da drin sind. Das schult das Auge. 

 

Aber es reißt einen natürlich auch aus den anderen Arbeiten raus. 

 

Genau. Deshalb hängt dieses Auto auch schon relativ lange dort.


"Und ich entdecke immer neue Seiten an mir, durch die Malerei."


Was ist denn dein Hauptthema? 

 

Das ist eine gute Frage. Ich habe mir eben schon Gedanken gemacht, was ich sagen könnte, wenn diese Frage kommt. Es ist sehr, sehr schwierig. Ich glaube, ich habe keine wirklichen Themen, die ich behandele. Mich interessiert der Malprozess an sich. Für mich ist Malen so ein bisschen Therapieform. Und ich entdecke immer neue Seiten an mir, durch die Malerei. Indem ich mich einfach frage: Warum habe ich das jetzt gemacht? Warum will ich das nicht einfach abmalen? Warum will ich etwas anderes malen? Warum zerstöre ich so ein Gesicht? Warum tue ich dies, warum das? Warum schmeiße ich es am Ende doch wieder weg? Das interessiert mich eigentlich an der Malerei, nicht die Themen, die ich damit ausdrücke. 

 

Aber Menschen ziehen sich immer durch dein Werk. 

 

Es ist natürlich so, dass man malt, was einen umgibt. Ob man es jetzt abstrahiert oder ob man es eins zu eins abmalt. Aber ich bin nun mal umgeben von Menschen. Ich habe aber irgendwann auch mal gemerkt, ich habe eine Affinität zu Ohren. Das ist tatsächlich ganz witzig, denn immer wenn ich Menschen male, dann gebe ich mir beim Ohr immer etwas mehr Mühe, als bei allen anderen Stellen. Ich glaube, ich bin so ein bisschen an skulpturellen Formen interessiert und so ein Ohr hat etwas von einer Tony Cragg (*1949) Skulptur, weil es sehr komplex ist. Und viele Studien, die ich jetzt in letzter Zeit gemacht habe, beschäftigen sich auch mit so skulpturalen Elementen. Das ist vielleicht so ein Thema und eben Größenverhältnisse, wie zum Beispiel diese Spielwelt, die ich hier habe (zeigt auf eine Leinwand), mit dem großen Menschen im Hintergrund. Es hat so ein bisschen was Verstörendes. Das märchenhaft Verstörende, das ist so ein Überthema. Ich will den Blick ein bisschen verwirren. 




Hast du Vorbilder? 

 

Es gibt einen zeitgenössischen Maler, den ich sehr, sehr gut finde, das ist Adrian Ghenie (*1977). Er ist Rumäne und der malt sehr abstrakt, geht aber noch ins Figürliche rein. Der arbeitet sehr pastos mit seinen Farben. Das ist schon eine Disziplin, die ich mir versuche anzueignen, weil es eben weit entfernt ist von der klassischen Ölmalerei. Das reizt mich einfach, dass man so noch die Textur der Farbe sehen und fühlen kann. Und es gibt natürlich noch andere Einflüsse durch Francis Bacon, den ich eben schon erwähnt habe. 

 

Das sieht man in den Bildern. 

 

Ja, ich liebe Francis Bacon. 

 

Allerdings kommt das Atelier noch nicht an das Chaos eines Francis Bacon heran. 

 

Nun ja … Ich muss gestehen, ich habe einen unheimlichen Aufräummarathon hinter mir, damit wir hier durchgehen können (lacht). 

 

Und ich dachte, du wärst immer so strukturiert. 

 

Ich bin eher das komplette Chaos. Aber es ist gut, dass ich das mit dem Aufräumen endlich einmal geschafft habe. Ab einem gewissen Punkt wird es einfach zu viel … Und dann macht das Arbeiten auch keinen Spaß mehr. Man muss sich ja beim Malen bewegen. Man muss zur Leinwand gehen, man muss weit weg gehen und wenn man dann immer über etwas drüber stolpert oder in einen Nagel tritt, dann ist es schon schwierig. Deshalb kam das jetzt auch ganz gelegen ... 

 

Du machst auch Musik. Hat das deine Kunst beeinflusst? 

 

Ich habe das immer sehr voneinander getrennt gehalten. Mir wurde auch schon öfters gesagt: „Du bist doch Musiker, warum malst du nicht auch musikalische Themen?“ Das habe ich immer trennen wollen. Und im Moment mache ich da auch wenig. Ich bin vor einem halben Jahr aus der Band ausgestiegen, die ich mitgegründet habe. Aus persönlichen Gründen. Seitdem konzentriere ich mich eigentlich nur noch auf die Malerei. Ich spiele ab und zu auf Hochzeiten, Geburtstagen und sonstigen Feierlichkeiten tatsächlich Klavier. Das habe ich auch noch zu Hause stehen. Das ist dann so mein Ausgleich zum Pinselschwingen, dass ich am Klavier sitze. Ansonsten sind das zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe. 

 

Diese surrealen Welten, die du erschaffst, könnte man sich aber auch gut vertont vorstellen. 

 

Man kann da schon gewisse Parallelen sehen, gerade in der Art und Weise, wie ich Bilder darstelle. Ich habe auch früher immer die Texte geschrieben für unsere Musik und da habe ich immer Bilder geschrieben. Bildgeschichten. Die waren auch immer ein bisschen surreal und märchenhaft. Ich habe sehr viel mit Metaphern gearbeitet. Das ist vermutlich auch etwas, dass dann wieder in die Malerei mit einfließt. Diese Denkweise ist irgendwie in mir verhaftet. 

 

Du hast auch eine Serie mit Wuppertalbildern gemalt? 

 

Ja, das war vor zwei Jahren. Die habe ich auch in der „Alten Fleischerei“ ausgestellt. Aber das mache ich tatsächlich nicht mehr. Das war 2014 und ich sehe das mittlerweile als reine Übungsphase an. Das war, genau wie das Auto dahinten, einfach zu lernen. Wie passiert was? Wo ist das Licht? Ich würde es jetzt in meiner Vita nicht mehr aufnehmen. 


" Ich will Bilder wegen meiner eigenen Gedanken verkaufen."


Aber Wuppertalbilder scheinen sich hier gut zu verkaufen, oder? 

 

Man verkauft die wirklich ganz gut. Da gibt es einige Beispiele. Aber ich habe irgendwann explizit gesagt, ich höre auf, Wuppertal zu malen, weil ich möchte nicht Bilder verkaufen über das Thema Wuppertal, denn da stecke ich nicht drin. Ich wohne zwar in Wuppertal, aber das ist auch der einzige Bezug, den ich dazu habe. Ich will Bilder wegen meiner eigenen Gedanken verkaufen und wenn ich einfach nur Wuppertal male, dann hat das nichts mit mir zu tun. Das ist mir zu wenig, um diesen Aufwand zu betreiben, sich mit Bildern auseinanderzusetzen und zu schaffen. Das ist für mich ein viel tiefgreifenderer Prozess. Das hat bei mir etwas mit Tiefenpsychologie zu tun. 

 

Bist du echter Wuppertaler und hält es dich hier? 

 

Ich bin richtiger Wuppertaler. Und wenn es klappt mit den Akademien, dann schaue ich mal, wo ich lande. Deshalb habe ich auch vier Akademien ausgewählt, die überall verstreut sind, an denen ich mich bewerbe. Da wo ich genommen werde, da gehe ich hin.  

 

Dein Herz hängt also nicht an Wuppertal, oder? 

 

Das werde ich dann merken, wenn ich nicht mehr hier bin. Aber das ist ja immer so. Wuppertal ist jetzt nicht die schönste Stadt, es ist auch nicht die hässlichste Stadt, aber ich habe jetzt Lust auf etwas Neues. Man muss ein bisschen entdecken … 

 

Wie startest du in den Tag?  

 

Sehr strukturiert bin ich da nicht, weil ich viel zu sehr darauf angewiesen bin, wie mein Kopf gerade funktioniert. Ich habe manchmal das Gefühl, ich habe da sehr große Schwankungen. Es gibt Tage, da brauche ich gar nicht erst hier hin zu kommen. Und dann gibt es Tage, da gehe ich auch einfach nicht mehr hier weg. Da jetzt jeden Morgen um neun Uhr aufzustehen und zu sagen: „Ich bin jetzt um zehn im Atelier und bleibe bis zwanzig Uhr“, das funktioniert da nicht. Manchmal schlafe ich schon etwas länger, nicht bis zwölf Uhr oder so, aber ich bin meistens um die Mittagszeit hier. Ich merke aber, dass ich dann so drei oder vier Stunden mindestens brauche, bis ich überhaupt richtig anfangen kann zu arbeiten. Manchmal klappt es aber auch gar nicht. Dann sitze ich hier, esse was, zeichne ein wenig, gucke eine Dokumentation und dann kommt irgendwann der Punkt, wo ich sage, jetzt lohnt es sich, anzufangen. Und dann kann es auch sein, dass ich dann bis zwei Uhr nachts hier bin. 

 

Wo siehst du dich in zehn Jahren? Was sind deine Ziele? 

 

Ziel ist natürlich schon, so wie es jetzt im Ansatz funktioniert, davon zu leben. Und dass ich mir auch mal die eine oder andere Reise leisten kann. Es macht natürlich Spaß, immer im Atelier zu sein, aber man muss ja auch irgendwo seine Eindrücke hernehmen. Und so ein bisschen die Welt sehen, das würde ich schon gerne. Und ansonsten ist es natürlich ein Ziel, in größeren Galerien Ausstellungen zu machen. 

 

Stehen in nächster Zeit noch Ausstellungen an? 

 

Geplant ist im Moment eigentlich gar nichts. Ich habe mich da auch gerade wirklich nicht drum gekümmert, weil diese ganze Bewerbungsgeschichte sehr zeitaufwendig ist.

 

Um vier Mappen zu machen, da brauchen andere ein Jahr für. Ich habe mir da jetzt ein paar Wochen gegeben. Dementsprechend ist noch gar nichts geplant. Ich bin aber auch nicht der Ansicht, dass sich eine Ausstellung lohnen würde mit den Werken, die im Moment existieren. 

 

Eine feste Galerie hast du also nicht? 

 

Nein. Ich habe zwei Mal in der „Alten Fleischerei“ ausgestellt, aber ich kann sie nicht als meine Stammgalerie bezeichnen. Das wäre dann schon mal der nächste Schritt, an eine Galerie heranzutreten. Aber dann muss ich mir auch erst einmal selber sicher sein, dass mein Werk das wert ist. Deshalb verbringe ich lieber noch mehr Zeit eingekapselt hier und mache erst einmal was, bevor ich dann wieder den Schritt raus wage und sage: Wer möchte denn? 

 

Wie verkaufst du dann, wenn du so nicht an die Öffentlichkeit gehst oder finanzierst du dich hauptsächlich über Auftragsarbeiten? 

 

Interessanterweise habe ich in letzter Zeit tatsächlich mehr eigene Arbeiten verkauft als ich Auftragsarbeiten gemacht habe. Das ist schon ein ganz gutes Gefühl. Ich hatte zum Beispiel in den letzten zwei Monaten im Café Milias, gegenüber der City-Kirche in Elberfeld, ein paar Bilder hängen. Da habe ich drei von verkauft. Das trägt einen dann schon mal zwei, drei Monate. Das finde ich dann sehr befriedigend. Und interessanterweise ist meine Kundschaft, wenn ich das so nennen darf, jünger als ich. Das ist ganz spannend. Das sind wirklich Leute, die haben eigentlich nicht soviel Geld. Umso mehr freut es mich, dass es ihnen tatsächlich so nahe geht, was ich mache, dass sie tatsächlich bereit sind, sich meine Bilder vom Mund abzusparen. Das ist die Kundschaft, die mit einem mitwächst.  

 

Planst du deine Karriere? 

 

Ich hoffe natürlich, dass immer mehr solcher Leute in mein Leben treten, die dann irgendwann auch nochmal ein Bild kaufen, was jetzt schon öfters passiert ist. So was wächst dann mit einem mit. Aber eine Zehn-Jahres-Prognose ... 

 

Das ist schwer, sicher, aber manche Menschen versuchen ja trotzdem, ihr Leben zu planen. 

 

Das ist bei mir immer fürchterlich in die Hose gegangen, jedes Mal, wenn ich mir etwas vorgenommen habe ... Ich habe mir auch früher niemals vorgestellt, Kunst zu studieren, geschweige denn, hauptberuflich Kunst zu machen. Ich war lange Zeit wirklich in der Musik verhaftet. Ich habe täglich vier Stunden Schlagzeug gespielt, um darin richtig gut zu werden. Ich habe Klavier gespielt. Ich habe Gitarre gespielt. Das war eigentlich so der Plan,

mit der Band wirklich auch wieder zu wachsen. Und dann kommen eben so persönliche Gründe, die das Ganze wieder zunichtemachen. Aber da hatte ich zum Glück schon diese Kunstgeschichte nebenbei aufgebaut. Und so konnte ich sagen: Gut, ich hab‘ was, worauf ich mich konzentrieren kann und was wirklich nur mit mir zu tun hat. Da ist wirklich so ein bisschen Egoismus mit drin, weil ich mich da nicht auf andere verlassen muss. Aber früher war der Plan tatsächlich, nur Musik zu machen. 

 

Das hört sich jetzt ein wenig wehmütig an. Dann ist die Kunst also nur Plan B? 

 

Nein, so nicht. Die Kunst war zwar Plan B, ist aber zu Plan A geworden. Das macht mir mittlerweile wesentlich mehr Spaß als früher die Musik. Das muss ich sagen. 

 

Zwei Leidenschaften zu haben ist ja auch etwas Tolles. 

 

Es war immer so die Sorge der Eltern: Du machst Musik und du machst Kunst und was machst du, wenn beides nicht klappt? Das sind halt zwei wackelige Standbeine gewesen. Aber wie man sieht, kann es eben doch klappen, wenn man wirklich dahinter her ist. 

 

Du bereust also nichts. 

 

Alles was passiert ist, hatte ich so selber nicht in der Hand, deshalb habe ich auch nichts, was ich bereuen könnte. Ich würde es nur bereuen, wenn ich einfach nicht mehr weiter machen würde, weil ich irgendwann Angst bekommen sollte, dass das alles nichts wird. Aber ansonsten ist es so gelaufen, wie es laufen musste. 

 

Ich halte dir die Daumen, dass du angenommen wirst. Aber bist du für die Akademie nicht fast schon zu „fertig“? Was wollen die denn sehen? 

 

Ein bisschen habe ich es langsam im Gefühl, wie die Arbeiten dafür aussehen müssten, damit sie angenommen werden. Aber das sind auch nur Menschen, die das beurteilen. Die können auch mal einen schlechten Tag haben oder ihr Geschmack kann nicht getroffen werden. Bin ich die letzte Mappe, die durchgeguckt wird am Tag oder die erste? Das sind alles so viele Faktoren … Deswegen hier auch wieder das Motto: Ich mach‘ einfach und entweder es klappt oder es klappt nicht! Viel mehr kann man nicht machen. 


"Man sollte dem Bild Zeit geben, zu entstehen."


Arbeitest du denn eher in Serien oder siehst du jedes Bild einzeln für sich? 

 

Ich bin unfassbar wankelmütig. Ich springe von einem Thema zum nächsten. Ich schaffe es nicht, mich mit einem Thema in fünf Bildern zu beschäftigen. Ich schaffe es ja oft nicht, überhaupt ein Bild fertig zu malen, weil ich am nächsten Tag schon wieder denke, vielleicht war es die ganze Arbeit nicht wert. Das ist schon eine ganz schwierige Geschichte. Aber ich weiß auch nicht, wann ein Bild „zu Ende“ ist. Manchmal wünschte ich mir, ich hätte viel früher aufgehört. Andererseits wünschte ich mir auch, ich hätte mehr Durchhaltevermögen. Wenn ich wirklich ein Thema gefunden habe, das mich in Ansätzen interessiert, muss ich am Anfang mal die Kraft besitzen, tiefer darin zu versinken und weiter zu machen. Und so ein Bild sollte auch manchmal einen Monat an der Wand hängen.

 

Man sollte dem Bild Zeit geben, zu entstehen. Denn jeden Tag hat man andere Eindrücke, andere Gedanken, eine andere Stimmung … Das kann man eigentlich alles in einem Bild verarbeiten, wenn man nicht direkt wieder hingeht und am anderen Tag die Leinwand von der Wand reißt, was ich leider oft genug tue. Und einen dementsprechenden Verschleiß habe ich auch manchmal. 

 

Du arbeitest hauptsächlich mit Öl oder welches Medium ist dir am liebsten? 

 

Das ist richtig. Ich habe auch noch nie viel Interesse an Aquarell oder Ähnlichem gehabt. Ölfarbe macht einfach am meisten Spaß. Schon weil ich diese Viskosität ganz einfach mag. 

 

Aber ein Ölbild braucht ja auch seine Zeit, schon um trocken zu werden. 

 

Das ist ja auch das Problem, das ich habe: Ich warte nicht gerne! Allerdings hätte Acrylfarbe dann wieder den Nachteil, dass sie zu schnell trocknet. Und wenn man nun ein Acrylbild mit einem Ölbild vergleicht, dann ist ein Ölbild in den Köpfen der Menschen schon irgendwie höher gestellt. 

 

Es hat ja auch einen schöneren Glanz. 

 

Genau. Und Öl lässt sich einfach viel differenzierter verarbeiten. 





Welches ist denn jetzt dein neuestes Bild? 

 

Das an der Wand hier, ist das aktuelle Werk, das noch lange nicht fertig ist. Da versuche ich mich einfach einmal ein wenig zu bremsen, was meine Geschwindigkeit angeht und ich lasse das jetzt erst einmal trocknen. Und dann gucke ich in zwei Wochen, wenn ich aus Berlin zurück bin, ob ich das überhaupt noch mag, ob ich was dran verändern will und was. Das ist ein völlig anderer Ansatz. Ganz ohne Plan. Eine Vorskizze und dann einfach los …  

 

In dem Bild geht es um Größenverhältnisse, oder? 

 

Ja. Ich mag, auch wenn das jetzt in diesem Bild gar nicht so rüberkommt, monumentale Sachen. Ich mag eine sakrale Ästhetik, zum Beispiel Kircheninnenräume. Das hat immer so etwas Erhabenes, gerade durch diese Größenverhältnisse. Wenn man im Petersdom steht und man ist winzig klein und weiß, dass der Schriftzug da oben mannshoch ist, das ist schon beeindruckend. Und so eine Ästhetik würde ich auch gerne in meine Bilder einbauen. Denn das hat immer etwas Ehrfurcht gebietendes. Ich habe selber vor manchen Bildern, vor denen ich stehe, das Empfinden von Ehrfurcht und das, finde ich, ist ein wichtiges Gefühl, um sich auf den Bildinhalt einlassen zu können.

Deinen Bildern ist ja auch so ein Überraschungseffekt eigen. Überraschst du dich manchmal selbst? 

Manchmal schon (lacht). Hier habe ich mal ein Konzept zu einem weiteren Bild. 


"Oft tötet ein Konzept alle Emotionen, die ein Bild haben könnte."


Es gibt also doch Konzepte? 

 

Ja, mitunter schon. Das ist ja eben meine Wankelmütigkeit. Manchmal gibt es ein Konzept, manchmal gibt es keines. Oft tötet ein Konzept alle Emotionen, die ein Bild haben könnte. Deshalb male ich momentan eher so ein bisschen drauflos. Und das hier … Das ist ein altes YouTube-Video von einer frühen Ausstellung eines bekannten belgischen Künstlers in seiner Garage damals und es hat mich einfach interessiert, diesen Raum im Raum im Raum zu haben. Also, ich sitze praktisch an diesem gebastelten Tisch in dieser Kulisse, die aber wiederum ein Foto ist.

 

Das ist also ein Selbstbildnis? 

 

Genau, das bin ich. Hätte ich meinen alten Mantel an, dann würde man das leichter sehen. Und es sind auch die Stühle, die hier im Atelier stehen. Die kommen mittlerweile auch in vielen Bildern vor. Tja, und dann verwende ich halt auch mal Photoshop, was ich ungerne mache, aber diese Szene ist ja so darauf ausgelegt, dass ich in der richtigen Perspektive ins Bild eingebaut werden kann, das geht so einfacher. Würde die Perspektive nicht klappen, dann verkauft sich der Trick des Bildes nicht, der gerade mit den falschen Perspektiven spielt. Aber das hat jetzt wieder gar nichts mit dem anderen Bild tun. Ich habe unglaubliche Schwierigkeiten, bei einer Sache zu bleiben. Aber beide Bilder spielen schon in einer surrealen Welt. 

 

Ja, Surrealität interessiert mich wirklich. Und die Räumlichkeit. Ich habe ja früher Architektur studiert, für vier Semester, bevor ich das zugunsten der Musik aufgegeben habe (lacht). Da wurde es aber auch nervig, da ging es nur noch um Computer und Statikberechnung. Das hat dann keinen Spaß mehr gemacht. Mir hat es immer am meisten Spaß gemacht, die Plakate selber zu zeichnen. Und deshalb interessiert mich also diese Räumlichkeit, dieses teilweise ineinander Verschachtelte. Räumlichkeit, die man nicht versteht. Und die einen so richtig in das Bild hineinzieht.  



"Ich finde es immer ganz spannend, wenn man sich irgendwelche Fragen dazu stellt."


Vorne im Eingang hast du auch ein interessantes Bild, das wiederum ganz anders ist. 

 

Ja, hier habe ich mich vielleicht schon ein wenig von Francis Bacon inspirieren lassen. Das kann man schon sehen. So was passiert, wenn man einfach loslegt und mal schaut, wohin die Reise geht. Das Bild darunter ist auch ein Beispiel dafür. Da ist ein Mensch, der sich vor etwas versteckt. Es hat die Form eines Ufos … aber im Grunde ist es nur ein Stück Styropor. Das Bild ist auch noch nicht fertig, es steht da nur, damit ich nicht weiter daran arbeite. Manchmal sperre ich Bilder eben auch aus, damit sie vor mir in Sicherheit sind. In beiden Bildern ist hier wieder dieser Größenaspekt zu sehen. Was auch immer im ersten Bild dieses Viech sein soll, es ist riesengroß. Der Mann daneben sitzt aber ganz ruhig auf seinem Stühlchen und schaut noch nicht einmal in Richtung des Tieres. Ich finde es immer ganz spannend, wenn man sich irgendwelche Fragen dazu stellt. Und sei es einfach die Frage: Was passiert da überhaupt? Am schlimmsten ist es, wenn ich ein Bild sehe und es sofort verstehe! 

 

Dann ist es langweilig ... 

 

Ja, dann ist es langweilig. Maximal schön ..., aber dann hätte ich auch Landschaftsmaler werden können. Ich möchte schon, dass man ein wenig Unwohlsein im Bauch hat, wenn man die Bilder anschaut. Es gab da auch einmal ein lustiges Experiment. Menschen sollen sich angeblich schneller verlieben, wenn ihnen leicht übel ist. Es wurden Menschen gemeinsam auf eine Hängebrücke geschickt und hatten dort gleich eine Affinität den anderen Menschen gegenüber, trotz oder gerade wegen ihrer leichten Übelkeit dort. Ich finde es ganz interessant, dass über dieses Unwohlsein eine Emotion hervorgerufen wird. Vielleicht funktioniert das ja auch bei Bildern.  

 

Es ist vermutlich dieses Ambivalente, dass einen dann reizt: Finde ich das jetzt gut oder schlecht? 

 

Das habe ich in der Musik eben auch gemerkt, dass Bands groß geworden sind, die die Menge gespalten haben. Die einen haben sie geliebt, die anderen haben sie gehasst. Unser Produzent sagte auch immer: „Entweder du hast einen Stern oder du hast fünf Sterne, aber wenn du drei Sterne hast, kannst du gleich einpacken.“ Und das ist wirklich so. Man muss schon immer am Rand der Sachen malen, nicht einfach nur schön oder einfach nur hässlich oder irgendwas dazwischen. Andererseits ist mir das wieder viel zu viel Theorie, das alles zu bedenken, wenn ich male ...  (lacht) #

 

 

Zur Person

Tim Leimbach - Jahrgang 1986  - geboren in Wuppertal   - vier Semester Architektur-Studium - Freier Künstler  und Musiker - Mitbegründer der Band „COYOTES“ ehem. „April Uprising“  -  lebt und arbeitet in Wuppertal  

 

www.timleimbach.com


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